Aufbruch ins Ungewisse, Kapitel 2

Bully atmete sichtlich schwer. Seit mehr als einem halben Jahrtausend hatte man in der Milchstraße nichts mehr von dem alten Grantler gehört seit er mit dem neutralisierten Chaoporter HORIZONT in unbekannte Weltraumtiefen abgeflogen war. Er hatte sich massiv verändert – statt seines rechten Arms trug er eine blauschimmernde technische Prothese. Wir begaben uns, nachdem sein Adjutant Rezzor in der Medostation der CROSSHATCH in sicheren Händen war in meinem abhörsicheren Briefingraum in unmittelbarer Nachbarschaft zur Hauptleitzentrale unserer 1700 m breiten, 2000 m langen und am Heck 1050 m hohen Mega-Space-Jet und ließen uns auf bequemen Antigravsesseln nieder nachdem sich das Sicherheitsschott geschlossen hatte. Ich hatte zuvor Befehl gegeben den Kurs zum SAN-Kontor 104 fortzusetzen aber auf Umwegen da ich eventuelle getarnte Verfolger vom Ziel abzulenken gedachte. Ein Servobot servierte Snacks und Getränke. Ich schnappte nach den Käsebällchen aus akonischem Melitorkäse und goß mir einen eisgekühlten Kokoskaffee ein. Bull hatte sich Thunfischsandwiches und Weißwein von Ferrol gewünscht und selbstverständlich bekommen. Nachdem wir uns gestärkt hatten begann der ehemalige LFG-Resident zu berichten: „Ich beginne mal mittendrin. Nach 60 Jahren Flug gab es an Bord der HORIZONT eine Meuterei nachdem ich nach einem Trip nach Pha Gashapar, der Stadt Allerorten mit einem kosmokratisch zurück geprägten ZAC auftauchte. Nur Rezzor stand mir bei. Meine bisher absolut loyalen Munuam begannen mich zu hassen und da wurde mir klar, daß die scheinbare Neutralisation von FENERIK wohl gründlich mißglückt war. Rezzor hatte wohlweislich von Beginn unserer Reise an einen 300 m messenden Mikro-Trikubus auf sich geprägt und mit diesem flohen wir von Bord. Die Flucht gelang, aber nach 25 Jahren brannte unser Triebwerk aus und wir mußten in einer uns unbekannten Galaxis auf einem Dschungel-Planeten notlanden.“ Er machte eine Zäsur im Vortrag und kippte sich einen Schluck Wein hinter der Binde. „Ausgerechnet auf einem Planeten, der kurz zuvor Besuch von einem Erkundungstrupp der TRAITOR-Expektoren erhalten hatte. Man nahm uns gefangen und schaffte uns auf die Fernstsonde SHAMIR XXC – das war der riesige Kasten der vorhin explodierte. Der Expektor I, ein Dual namens Hetvan-Shobolir nahm uns gefangen und legte uns für 418 Jahre in Stasis da die Epektoration der Galaxie Korimanturr wohl solange dauerte. Dann schickte er sich an zur Milchstraße zu fliegen.“ Bully holte tief Luft. Ich blickte fragend auf seinen synthetischen rechten Arm… „Das geschah auf dem Flug in die Heimat. Man explantierte mir meinen ZAC, den der Expektor mit einem Kurierschiff zu METROBAC dem neuen Chaopressor schickte. Den Arm schnitt man mir ab und ersetzte ihn durch das hier.“ Verbittert streckte der älteste Freund Perry Rhodans seine Prothese in die Luft, rang sichtlich um Fassung. „Hetvan-Shobolir erhofft sich eine rasche Beförderung durch die Erbeutung des ZAC und mir versicherte er, daß mich der Kunstarm für mindestens zehn Jahrhunderte am Leben erhalten wird.“ Ich blickte nun erschrocken denn ich wagte mir nicht vorzustellen was das aus dem Ex-Residenten machen würde, der bisherbseit Jahrtausenden relativ unsterblich gewesen war. „Ach ja, von meiner in der Stadt Allerorten verschollenen Tochter und Ehefrau fand ich nur ein Grab in einer Trabantenstadt auf einem Müllplaneten ausgerechnet in der Galaxis Naupaum. Shinae und ihre Mutter waren zudem recht früh einen grausamen Tod gestorben.“ Ich fragte nicht nach der Todesursache, lauschte weiter dem hochdramatischen Bericht. „Irgendwie gelang es dann Rezzor uns zu befreien und mit dem Rettungspod zu flüchten. Die anderen Rettungskapseln dienten nur der Ablenkung.“ Der Bericht ging nun weiter.

Mason Wyler befand sich in seiner Kabine und machte sich ernsthaft Sorgen um seinen Captain mit dem ihn seit Jahren ein enges Band der Freundschaft verband. So mancher an Bord vermutete bei den beiden eine intime Beziehung aber das stimmte nicht. Wenn ja so war das eine rein platonische Verbindung. Zudem Wyler seit einem halben Jahr mit Deanne Coxx liiert war, det Chefkproviantmeisterin der CROSSHATCH. Diese kam jetzt herein und setzte sich auf das Antigravbett auf der ihr Partner mit zerzausten Haaren lag. Zärtlich strich sie über dessen linken Arm und dann überschlugen sich erneut die Ereignisse denn der violette Alarm ging erneut los…

Bully fuhr hoch und auch ich war geschockt denn wir befanden uns derzeit im Hypertaktflug bei 120 Mio. ÜL! Ich aktivierte meinen Armbandkom und kontaktierte DAVE. „In nur 1003 LJ Entfernung ist ein 700 Einheiten starker Traitank-Verband aufgetaucht und verfolgt uns gezielt. Die Chaosflotte ist annähernd so schnell wie wir und wird uns bereits in 4,39 Minuten eingeholt haben… Befehle?“ Ich und Bull sprangen simultan auf und rannten los.

Wyler und Coxx eilten in die Hauptleitzentrale und erreichten diese etwas später als Bull und der Captain. Wyler löste den derzeitigen Maschinenoffizier ab und Coxx nahm auf einem der Reservesessel nahe des Hauptholos Platz. Der junge Terraner Wyler aktivierte über den Alarmmodus hinaus noch den Ultramodus des Diskus. Zwei weitere Permanentzapfer wurden hochgefahren um mit der zusätzlichen Energieabgabe den derzeitigen Paratron zu verstärken. Der Dakkarschirm konnte im Hypertaktmodus nicht eingeschaltet werden da er den Überlichtflug blockiert hätte. Eine Geschwindigkeitssteigerung war bei diesem Triebwerk baubedingt unmöglich, da biß die Maus leider keinen Faden ab. Ein Stopp und die Tarnung innerhalb einer Hyperraum-Enklave verbot sich von selbst da bereits die Traitanks des 24. Jahrhunderts NGZ eine solche innerhalb kürzester Zeit geknackt hätten und die Technologie der chaotarchischen Kolonne hatte sich in rund 1300 Jahren ganz sicher noch entscheidend weiterentwickelt. Mason Wyler entschloss sich also aufs Ganze zu gehen, wandte sich um und sah den Captain direkt an. „Empfehle Stopp und Kampf mit den Traitanks!“ Er blickte zum aktuellen Waffenleitoffizier. Dieser, ein 80 Jahre alter Bardhomer names Rayson Bannister blickte entschlossen. „Alle Geschütze sind aktiviert. Die vier Kampfkreuzer sind startklar.“

Nicolas Brokul, der Captain gab sich einige Sekunden Bedenkzeit. Die vier vollrobotisierten 200 m durchmessenden Kampfkreuzer besaßen wie das Mutterschiff eine Panzerung aus Carit, waren also nicht sehr leicht abzuschießen aber als Waffen verfügten sie auch nur über den derzeit üblichen Standard also höchstoptimierte VRITRA-Kanonen und überstarke Transformwerfer und Transformgeschütze. Gegen einzelne Traitanks würde das eventuell sogar ausreichen um deren Schilde zu brechen aber die zahlenmäßige Übermacht von 700 Einheiten war erdrückend. Und so entschloß sich der Captain zu einem ungewöhnlichen Manöver. „Voller Stopp. Funkspruch in Traicom an die Verfolger: wir wollen mit euch verhandeln.“ Bully nickte dazu grimmig.

Die Antwort kam sehr schnell denn der Verband stoppte nun auch in nur 300.000 km Entfernung zu uns. Ein Mor’Daer in einer martialischen grellen gelb-grünen Rüstung erschien im Hauptholo und verkündete ausnehmend selbstbewusst: „Hier spricht Belial-Zotko XXII. Macht euch bereit zur Enterung, eure Führungscrew wird verhaftet und ebenso Reginald Bull der Verräter.“ Ich überlegte kurz und gab einen Wink an die derzeitige Funkoffizieren Helga Christ, eine blonde Terranerin von Luna-City 8. Sie schaltete den Audiokanal sofort auf stumm und ich nickte Rayson Bannister aufmunternd zu. „Plan DX70 – fegt sie weg.“ Bannister grinste sardonisch und leitete alles in die Wege.

Im Weltall tat sich nun ein rotglühender Riß auf nachdem die zehn drei Meter langen, lanzettartigen Mini-Teslyms 1000 km vor dem Chaospulk fächerförmig aufmarschiert und dann explodiert waren. Der Riß vergrößerte sich schnell auf 180.000 km Breite und 80.000 km Höhe und begann sogleich die 900 m langen Traitanks anzuziehen. Diese wurden unerbittlich in den Hyperraumriss hineingesogen, kurz bevor sie verschluckt wurden flackerten ihre Fraktalen Aufrissglocken erratisch um nach einer halben Sekunde zu erlöschen. Der ganze Spuk dauerte nur wenige Minuten und das Ergebnis konnte sich sehen lassen. Nur vier Traitanks entkamen durch waghalsige Flugmanöver. Darunter wohl das Flagschiff welches mit 1800 m Durchmesser fast so groß wie unser Schiff war. Nachdem der Aufriß sich endgültig schloß wendeten die vier Einheiten und stießen auf unsere Position zu.

Ich hatte vorsorglich den Dakkarschirm aktivieren lassen und so verpufften die Salven der Aggressoren fast wirkungslos im Schirm. Ich nickte Rayson erneut zu. „Du hast Freie Hand.“ Der Bardhomer schaltete schnell und dann krachten die ersten VRITRA-Spiralbahnen in die Aufrissglocken der drei kleineren Traitanks, deren Schirme bereits nach fünf Sekunden kollabierten. Er schickte Transformbomben hinterher und dann erblühten drei grellweiße Feuerblüten im nahen Raum. Das Flagschiff hatte er auf meine Anweisung hin vom Wirkungsfeuer ausgespart. Erneut sprang der Hologlobus an. Belial-Zotko XXI wirkte deutlich zerknirschter als vorhin. Drohend hob er seine Faust in meine Richtung. „Das wirst du bereuen Brokul…“ Und dann schaltete er ab. Im Ortungsholo zeichnete sich ab, daß der große Chaosdiskus rasch beschleunigte und in Richtung Leerraum in den Hyperraum abtauchte. „Nicht verfolgen, der Kerl soll die Kolonne warnen.“ An Helga Christ am Funkpult gab ich die Anweisung, die Aufzeichnung des Gefechts mit allen Orterdaten ans Galaktikum zu funken denn das konnte der Beginn einer erneuten Invasion der Lokalen Gruppe sein.

Auf Helmand XIII nickte der Vorsitzende des Galaktikums, Schauzor Partoc, ein arkonidischer Essoya seinem Adjutanten zu. „Lass uns zur Holokonferenz gehen Markon. Markon da Quertamagin nickte seinem Chef nur zu und dann stiegen beide in den Transmitter.

Die Holokonferenz war derzeit der Standard bei Sitzungen des Vollplenums des Galaktikums da es zeitraubende Raumschiffsreisen und auch beschwerliche Etappentransfers durch das akonisch-siganesische Transmitternetzwerk LARGESTREETS vermied. Nur einmal pro Jahr am 26. August waren die Abgeordneten und der Vorsitzende persönlich auf Helmand XIII zugegen. Man schrieb den 28. September 2645. Die Holotechnik war weiter entwickelt worden im letzten Jahrhundert und so war es möglich, sich z.B. die Hände zu schütteln oder gar zu umarmen. Schauzor Partoc ließ seinen Adjutanten auf dem Podium zurück und lief zu der arkonidischen Abgeordneten Reissa da Pax hinüber. Beide umarmten sich herzlich. Die arkonidische Kristallrepublik und die LFG waren das eiserne Rückgrat des Galaktikums. Arkon stellte mit 800.000 Schlachtschiffen das größte Kontingent der vor 200 Jahren aufgestellten Verteidigungsflotte der Milchstraße. Die LFG stellte mit 300.000 Einheiten das zweitgrößte und weitere 400.000 Raumer stellten die anderen Völker der Galaxis. Allein 100.000 kamen von den Blues. Nahezu alle Völker die Raumfahrt betrieben saßen im Galaktikum. Nur die Haluter und Cheborparner wollten nicht teilnehmen und das obwohl ein Cheborparner der erste Vorsitzende des 3. Galaktikums gewesen war. Doch das war zu verschmerzen – obwohl seit geraumer Zeit Infos von den galaktischen Geheimdiensten über Beunruhigendes aus dem Gebiet der Cheborparner gemeldet wurde… Doch Schauzor Partoc wischte diesen Gedanken geflissentlich beiseite.

Schnauzor und Reissa begaben sich zurück auf ihre Plätze. Ein dezenter Gong signalisierte den Beginn der Sitzung. Schnauzor überliess es seinem jungen Adjutanten Markon da Quertamagin die Eröffnungsrede zu halten da man das so vereinbart hatte um die hochadeligen Familien Arkons zu besänftigen, die sich seit einigen Jahrhunderten die Macht in M 13 mit den jahrtausendelang benachteiligten Essoyas teilen mussten. Schnauzor seufzte unhörbar in seinen weißen Bart und lauschte der Rede Markons. Dieser beschwor das Zusammengehörigkeitsgefühl der Anwesenden und schlug zunächst einen Bogen in die Vergangenheit: der Angriff des Dekalogs, der vor rund 2200 Jahren beinahe fatal für die Milchstraße ausgegangen wäre, wären da nicht Taurec und Vishna gewesen und der eiserne Überlebenswille der Terraner. Dann die langjährige Invasion der Terminalen Kolonne und auch hier siegte die Ausdauer vieler Völker über das gigantische Waffenarsenal von TRAITOR. Perry Rhodan war es sogar gelungen, den Chaopressor KOLTOROC in einem Duell zu vernichten und hatte damit den Chaosmächten eine grandiose Niederlage bereitet. Das war vor etwa 1300 Jahren gewesen. Niemand hatte damit gerechnet so bald schon wieder Schiffe des Chaos in milchstraßennäherer Umgebung zu orten aber genau das war vor zwei Tagen geschehen. Die Nachricht des terranischen Fernraumers CROSSHATCH hatte alle Alarmglocken aktiviert. Man hatte die gesamte Öffentlichkeit in der Heimatgalaxis der vielen Völker informiert und die 1,5 Mio. Schiffe starke Abwehrflotte unter dem Kommando von Atlan da Gonozal hatte Position bezogen. Perry Rhodan, der oberste Botschafter von SAN war vor zwei Monaten im Auftrag von ES mit seinem Schiff EDEN III aufgebrochen um in 3 Mrd. Lichtjahren Entfernung nach Verbündeten für künftige galaxisweite Bedrohungen zu suchen. ES war wie immer nebulös in seinen Ankündigungen geblieben aber dort in extremst weiter Entfernung sollte sich eine Triviane Macht befinden, die hilfreich sein konnte. Wann Rhodan zurückkam und mit welchem Ergebnis, das stand buchstäblich in den Sternen… „Deshalb tritt jetzt der Plan FESTUNG MILCHSTRASSE in Kraft. Wir werden keine Risiken eingehen meine Freunde!“ Da Wuertamagin machte eine theatralische Pause und blickte sich um. Jedem im virtuellen Plenum war klar was das zu bedeuten hatte! Schauzor erhob sich und klopfte seinem Adjutanten jovial auf die Schulter und leitete offiziell die Abstimmung darüber ein. Nach zehn Minuten stand das Ergebnis fest: 96,8 % der Abgeordneten stimmte zu und so nahm der Plan konkrete Form an. Eine gigantische Maschinerie wurde umgehend in Gang gebracht. Sämtliche regionalen Parlamente waren nun daran gebunden und so verhängten die meisten Finanzminister rasch eine Haushaltssperre. Nur Terra, Gatas und Arkon waren so solvent um darauf verzichten zu können aber man leitete auch sofort Hilfszahlungen an die Sternenstaaten ein, die sich dieses militärisch-ökonomische Abenteuer eigentlich nicht leisten konnten…

to be continued…

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