„Begegnungen in der Nicht-Zeit“ Fanroman Teil 2

Gespanntes Schweigen in der Hauptleitzentrale. In 10 Minuten würde das Richterschiff eintreffen. Die AMTERIA befand sich seit 16 Minuten im Orbit um Andrabasch. Einen Funkspruch hatte Rhodan bereits absetzen lassen. Einen allgemein gefaßten der sich an die gesamte Bevölkerung des Planeten richtete. „Hier spricht Perry Rhodan, Beauftragter der Kosmokraten. Wir sind in einer Rettungs- uns Such-Mission unterwegs. Wir suchen den Arkoniden Atlan, der sich bereits einmal auf Andrabasch aufhielt bevor er weiter in die Jenzeitigen Lande flog. Wir bitten um Mitteilung ob jemand etwas über den Aufenthaltsort Atlans weiß? Mein Schiff hat einige Tausend Kampfdrohnen ausgeschleust, die die synchronalen Körper ausschalten werden von denen ihr bedroht werdet. Rhodan Ende“
Vom Waffen-Terminal her nickte ihm der Ertruser Gango Rankan zu. „Cicero hat gut gerechnet. Diese Antikörper und Freßzellen strahlen alle auf derselben 6-D-Frequenz. Unsere Drohnen erzeugen eine Resonanzfrequenz, die diese stark stört und zum Absturz bringt. Innerhalb weniger Minuten müßte die geamte Planetenoberfläche von unseren Drohnen energetisch so abgedeckt sein, daß keine Gefahr mehr besteht. Es sei denn die Dinger passen sich an aber danach sieht es im Moment nicht aus.“ Er strich sich über das lange blonde Haar, was für einen Ertruser eher ungewöhnlich war. Perry konnte sich nicht erinnern jemals einen Ertruser mit schulterlangen blonden Haaren gesehen zu haben. Dessen Namen erinnerte ihn an etwas, doch für solche Überlegungen war jetzt keine Zeit. „CICERO, volle Abwehrbereitschaft, Punktorientierte Selektiv-Abwehr auf maximale Ausdehnung. N-Dimensionale Werfer in Bereitschaft halten. Wir greifen aber keinesfalls zuerst an.“ Jene Werfer waren es gewesen, die bei der Schlacht gegen MATERIA so vielen galaktischen Schiffen den Untergang brachten. Optisch waren das orangefarbene, energetische Krakenarme die wild durch den Raum peitschten und bei Berührung selbst die mehrfach gestaffelten Paratronschirme der Prä-Hyperimpedanz-Ära innerhalb einiger Sekunden durchbrachen und der Besatzung den Tod brachten. Rhodan würde diese verheerende Waffe nur einsetzen sollte es einen Angriff der WEYD’SHAN geben mit dem die Defensivsysteme nicht fertig wurden. „Sechs Minuten bis zur Ankunft. Ich habe das Richterschiff in der Ortung. Das angezeigte energetische Potential liegt bei 171% AMTERIA-Äquivalenz. Die sind uns möglicherweise überlegen obwohl der Kahn nur knapp drei Kilometer lang und nur anderthalb Kilometer breit daherkommt.“ Es schien die richtige Entscheidung gewesen zu sein, die Defensivsysteme auf Maximum zu bringen. Kenzan ter Aumakyia beendete seine Meldung mit einer leicht fatalistischen Geste der rechten Hand. Rhodan hatte keinerlei Lust auf eine kriegerische Auseinandersetzung mit dem Tribunal. Thez und seine Möglichkeiten flößten im nach wie vor größten Respekt ein, allein die Tatsache, daß es offenbar gelungen war die Anwesenheit des Tribunals in der Milchstraße vor den Kosmokraten zu verbergen und das über eine längere Zeit hinweg ließ Rhodan frösteln. Er fragte sich ob in dem anliegenden Schiff ein atopischer Richter das Kommando hatte und wie dieser auf die Anwesenheit der AMTERIA in der Synchronie reagieren würde? In wenigen Minuten würde er es erfahren.
2.
Am See der Fauthen herrschte Verwirrung. Thez war erwacht. Etwas hatte die Synchronie an ihrer Peripherie verletzt, mit allergrößter Gewalt aufgebrochen und ein weiteres etwas war hindurchgeschlüpft. Ein machtvolles Instrument seiner ehemaligen Genossen, den Kosmokraten, fast war er erfreut, daß sie ihn endlich aufgespürt hatten. Unendlich anmutende Zeiten hatte er sich isoliert. Die ersten Jahrzehntausende hatte er frohen Mutes seine Jenzeitigen Lande erbaut, eine Insel der Hiesigkeit nach der anderen war entstanden. Die atopischen Archen hatten fast unendlich viele Individuen vom Rand des Abendabgrunds gerettet und wenig später begann er auch die Richter damit zu beauftragen, Wesen aus den korrigierten Zeitaltern zu ihm zu bringen damit sie die Herrlichkeit der Atopie schauen konnten. Das waren seine Hoch-Zeiten gewesen. Viel später, 2000 Inseln der Hiesigkeit gab es da schon, begann sich die Langeweile in sein Bewußtsein zu schleichen. Er sah sich als Bibliothekar und Hausmeister des Universums aber zu seinem milden Erschrecken stellte er fest, daß sich das Leben in allen Ecken des Universums ähnlich entwickelt hatte und ein Splitter seines Bewußtseins den er unzählige Jahrmillionen lang zum Schweigen gebracht, in den dunkelsten Winkel verbannt hatte, begann wieder zu sprechen. „Thez, was wurde aus deiner Aufgabe? Die Kosmokraten hatten dich erwählt weil du der sanftmütigste unter ihnen warst. Du der du noch mehr als Taurec die Wesen der Niederungen so sehr geliebt hast…“ Diese Stimme wogte heran wie die sanfte Brandung der warmen See an einem Sommerabend, an irgendeinem Strand auf irgendeinem idyllischen Planeten inmitten eines Spiralarms einer Galaxis, die schon so viele Namen getragen hatte. GA-yomad z.B. Thez erinnerte sich. Er hatte das Universum geschert um seine Arbeit nicht unvollständig werden zu lassen. GA-yomad mußte unbedingt vor der Ekpyrosis, dem terminalen Weltenbrand geschützt werden. Dieser hell blitzende Mosaikstein in seinem gewaltigen Mosaik durfte nicht erlöschen. Aus allen Kosmonukleotiden die er jemals reparieren hatte lassen, derer waren sehr viele, entnahm er eine kleine Menge an Kreations-Energie und erschuf daraus einen Klon des Universums. Die Scherung – jenseits davon konnte er nun ungestört weiter wirken und weben. Unbehelligt von solch Aufsässigen wie Perry Rhodan, Gaumarol da Bostich, Krantor von Reman, Nadira vom diamentenen Ausgleich, Mektor Kimpa Kanotuus vom Freien Wirtschaftsimperium und wie sie alle hießen diese Kardinalfraktoren ihres jeweiligen Bereichs. Denn nicht nur GA-yomad drohte der Feueruntergang, der Richter Matan hatte das den Bewohnern tunlichst verheimlicht. Mindestens drei weitere Sterneninseln waren bedroht. Das Weiterbauen hatte er sich diesseits der Scherung selbst verboten nachdem jener Atlan es ihm abgerungen hatte: den Abzug des Atopischen Tribunals aus GA-yomad. Die Richter waren seine Baumeister, er der stille Stratege im Hintergrund. Eine schlichte, siebendimensionale Hieroglyphe, verwoben mit der ÜBSEF-Konstante dieses so zerbrechlichen Wesens hatte eine Saite in seinem Innersten zum Klingen gebracht die er so nicht in sich vermutet hatte. Wer war dieser Atlan wirklich, woher stammte diese Glyphe? Nach der Abreise Atlans hatte er tief in den Archiven von NATHAN nach einer Antwort gesucht aber nicht gefunden. Wußten Tiryk, Hismoom, Vishna, Taurec, Kaalebran oder Orthidor die Antwort? Er hatte sich all diesen als hoch überlegen angesehen. „Thez, du schweifst ab, was wurde aus deiner Aufgabe? Du warst ausersehen, in den erneuten Urknall einzugehen damit ein wirklich neues Universum werden konnte. Sieh dir nur an was du stattdessen angerichtet hast!“ Ein homerisches Lachen fegte jetzt wie ein starker Windstoß durch die Existenz Thezens. „Ich habe deine Mächtigkeitsballung gerettet, du bist undankbar, ES.“
*
Sie wurden angefunkt sofort nachdem die WEYD’SHAN abgebremst und ebenfalls in einen Orbit um Andrabasch eingetreten war. „Leutnant Gango, Waffenanalyse!“ Der junge Ertruser wischte routiniert durch seine 3-D-Displays. „Das übliche, Babylonische Blender, Antimateriewerfer, Linearraumtorpedos, Autonome Kampfsatelliten, Impuls- sowie Desintegrator-Batterien und etwas neues. CICERO hat es mir gerade überspielt, er bezeichnet es als Strangeness-Missiles. Davon gibt es dort drüben ein Paar Tausend. Der Mini-Repulsorwall des Atopenschiffs ist auf Maximum geschaltet.“ Rankan beendete seinen Vortrag mit einer eindeutig unzüchtigen Geste der Hand. „Oberst Lexington, lege den Spruch auf ein Holo.“ Das Holo entfaltete sich. Ein Gesicht samt Oberkörper wurde sichtbar. Dieses Wesen kannte Rhodan nur allzu gut, nur die jetzt purpurfarbene Gesichtshaut war ihm neu. Bevor sein Gegenüber zu sprechen beginnen konnte kam er diesem zuvor. „Mein Name ist Perry Rhodan, ich bin hier im Auftrag der Kosmokraten um nach dem Rechten zu sehen, brauchst du eventuell Hilfe, Richter Matan?“ Er setzte sein freundlichstes Lächeln auf. Der Richter verzog keine Miene. „Du bist bekannt. Und nein, ich benötige keine Hilfe. Ich bin der Atope Matan Addaru Rhemton. Wie ich sehen kann habt ihr den Bewohnern von Andrabasch bereits geholfen. Allerdings muß ich anmerken, daß die synchronalen Antikörper und Freßzellen in etwa sechzig eurer Minuten wieder aktiv werden, sie beinhalten redundante Systeme um ihrer Aufgabe nachzukommen. Euch schützt übrigens das Carit eurer Schiffshülle. Diesen Stoff kann das Immunsystem der Synchronie nicht durchdringen.“ Rhodan war nicht direkt vor den Kopf geschlagen angesichts dieser Informationen aber die offen zur Schau gestellte Arroganz dieses Wesens erhöhte seinen Blutdruck merklich. Die Schiffs-Syntronik mischte sich jetzt ungefragt in das Gespräch ein. „Hier spricht CICERO, ich bin das was du an Bord deines früheren Schiffs COLPCOR als Skeptor bezeichnen würdest.“ Das Gesicht Matans im Holo wurde nur eine Nuance dunkler. „Was wurde aus der Leiche jener Superintelligenz die du mit der COLPCOR aus dem Stern Sol entfernt hast? Falls dir diese Phase deines absurd langen Lebens bereits gewärtig ist?“ Cicero schwieg nun. Erneut verzog der Richter nicht im mindesten das altersfaltige Gesicht. „Du sprichst mit der aktuellsten Version meiner selbst, Schiffshirn. Ich bin im Bilde. Die Leiche wurde zu einem Übergang im gescherten Universum, dem Diesseits-Jenseits-Portal umgebaut. Die beiden Spiegeluniversen hätten nicht lange existiert ohne einen solchen Übergang, ohne eine verbindende Klammer. Zudem hat sich durch die Extrahierung der Korpuskale Dunst vollständig gelichtet. Für den ganzen Atopischen Hof zeigt sich jetzt die Richtigkeit meines Handelns und das meines Kollegen Chuv dessen Tod ihr zugelassen habt. Der Sekretär Phörn wurde in der Feste Tau eingekerkert, das besudelte Schiff ATLANC dient als abschreckendes Mahnmal – es wurde vor dem Eingang zum See der Fauthen in der Finalen Stadt aufgestellt. Es steht unwiderlegbar fest: Rhodan, Bostich und der Adaurest werden die Ekpyrosis entfesseln. Sobald diese eintritt wird Rhodan nur noch im jenseitigen Teil des Universums existieren, dasselbe gilt für den Rest von GA-yomad.“ Rhodan unterbrach ihn. „Dann bleibe ich innerhalb der Synchronie und der Weltenbrand findet nicht statt! Problem gelöst?“ Diesen Schuß ins Blaue konnte sich Rhodan nicht verkneifen zudem er nicht einem Dialog Matan-CICERO wortlos zuzuhören gedachte. Leider kam ihm jener nochmals zuvor. „CICERO spricht, Matan ich erkenne auf deinem Schiff eine syntrope Boje. Wann gedenkst du diese endlich einzusetzen um die angreifenden Zellen endgültig zu stoppen?“ Damit brachte er den Richter aus dem Konzept. Dessen Stimme überschlug sich fast. „Von einer Maschine der Kosmokraten nehme ich keine Befehle entgegen. Im übrigen wird die Boje rechtzeitig eingesetzt werden. Matan Addaru Rhemton Ende.“ Das Holo erlosch. „Was für ein zickiger Zausel ist das denn?“ Die Frage kam von Kenzan ter Aumakyia, der aufgrund seiner Jugend den Richter und seine spektakulären Auftritte nicht gesehen haben konnte. Rhodan fragte sich allerdings ob jener Richter nicht Pflichtstoff an der LFG-Flottenakademie war? Wobei ihm der junge Kenzan den Eindruck erweckte als ob er so manche Vorlesung hatte ausfallen lassen um sich mit Kommilitonen anderweitig zu amüsieren. Seine Vorliebe für das eigene Geschlecht war Rhodan aus seiner Personaldatei bekannt. Auf der RAS TSCHUBAI hatte man ihn lange Zeit den Gay Casanova von Mannschafts-Deck 17 genannt, wie Rhodan wußte. Mittlerweile war er einen Ehe-Vertrag mit einem Korvetten-Kommandanten eingegangen, sein Partner war auf dem LFG-Flaggschiff in Sevcooris zurück geblieben.
Ter Aumakyia kannte somit wohl auch nicht die äußerst populäre Trivid-Serie „Der alte Matan“ die im Sol-System im Jahr 1542 NGZ einen renommierten Satire-Preis gewann. Dargestellt wurde der Richter vom allseits beliebten Mehandor-Schauspieler Sherlock Eisenbart. Rhodan verkniff sich ein Lachen. „Offenbar hat er nicht vor uns anzugreifen. Cicero?“ Die Syntronik antwortete prompt. „Wenn er nur die Hälfte seiner zweitausend Strangeness-Missiles auf einen Schlag abfeuert würden unsere Defensiv-Systeme kollabieren. Offenbar weiß er das nicht oder er hat anderslautende Anweisungen mitbekommen.“
„Eine Art Sonde legt von der WEYD’SHAN ab“ gab der junge Arkonide bekannt „steuert den Planeten an.“ Diese Meldung beruhigte Rhodan, es konnte sich nur um die syntrope Boje handeln. „Cicero, ziehe alsbald unsere Stör-Drohnen ab sobald die Boje voll wirksam wird.“ Und dann mit einem Seufzer in der Stimme. „Wir warten erstmal ab, bis sich der Atope wieder meldet. Zeit für eine kleine Erfrischung.“ An jeder Konsole und Sitzgruppe der Zentrale wo sich Crewmitglieder befanden entstanden aus dem Nichts heraus Antigravplatten. Beladen mit Speisen und Getränken. Beim Ertruser Gango Rankan materialisierte sich eine gewaltige, knusprig braun gebratene Keule eines Tiers samt einer Fünf-Liter-Karaffe gefüllt mit einer grünen Flüssigkeit. Bei allen anderen erschienen kalte Snacks und Karaffen mit Kakao. Germo Jobst schien ein gutes Verhältnis zu CICERO zu haben. Rhodan schmunzelte, nahm sich ein Sandwich und biß hinein.
*
Der Arkonide erwachte. Die Bewußtlosigkeit nach der Meditation hatte offenbar ein wenig an Energie regeneriert, er fühlte sich besser als zuvor. Er erhob sich und ging in die Kanzel der Sonde zurück. „Wie lange habe ich geruht.“ „28 Stunden und 12 Minuten Atlan.“ Meine Innere Uhr ist auch nicht mehr die beste dachte Atlan und vermißte sofort den üblichen bissigen Kommentar des Extrasinns. Dieser schwieg seitdem die Freßzelle in seinen Körper eingedrungen war. Die Freßzelle wie auch sein ZA funktionierten auf sechsdimensionaler Basis. Vermutlich hatte die Kombination von beiden seine Innere Stimme zum Verstummen gebracht. Er schreckte aus seinen Gedanken hoch als die Stimme der Sonde sich erneut meldete. „Ein Richterschiff ist auf Andrabasch angekommen. Ich habe seine sehr starke Ortungssignatur empfangen. Es ist die WEYD’SHAN.“ Vor dem Angriff der Freßzelle wäre Atlan sicher bass erstaunt gewesen über diese Nachricht. Das alte Richterschiff lag seines Wissens seit Jahrtausenden in der Technoklamm auf dem Ringplaneten fest. Ein Geisterschiff in welchem sich verschiedene Pararealitäten festgesetzt hatten.
Unter Stöhnen setzte sich der Arkonide auf einen der beiden Sessel in der wenige Meter durchmessenden Kanzel der Atopischen Sonde. „Sonst noch etwas zu vermelden, Sonde?“ Es vergingen einige Sekunden bis zur Antwort. „Es gibt eine zweite Signatur bei Andrabasch – sie ist eindeutig kosmo…“ Die Stimme der Sonde verstummte kurz um dann fortzufahren „…kratischen Ursprungs.“ Jetzt verschlug es Atlan wirklich die Sprache. Er brauchte etwa eine Minute um sich zu sammeln. „Falls es sich um ein Schiff handelt so gebe ich dir hiermit den Befehl, dieses anzufunken und um Rettung zu ersuchen.“ Schwarze Schleier waberten auf seiner Netzhaut, sein Puls pumpte, ihm wurde schwindlig. Nach seiner jahrhundertelangen Fahrt durch die Synchronie mit der ATLANC und dem ernüchternden Finale bei Thez am Fauthensee begab er sich nur allzu gern in die Obhut von Kosmokratendienern, bei diesen wußte er wenigstens woran er war. Bei Thez jedoch… „Dein Befehl verstößt gegen die Atopische Ordo, Atlan, daher kann ich das Schiff der Kosmokraten nicht direkt anfunken. Da ich um deinen schlechten Gesundheitszustand weiß setze ich daher einen allgemeinen Notruf in Richtung Andrabasch ab.“
Atlan war das Einerlei, er war zu sehr von seinen körperlichen Beschwerden beeinträchtigt um sich über die Sonde aufzuregen – er wollte primär aus dieser verdammten Kapsel heraus die ihm zum Gefängnis geworden war. „Mach was du willst Sonde, ich lasse mich auch von dem Richterschiff abholen, nur raus hier.“ Er klappte die Lehne des Kontursessels nach hinten und schloß die Augen.
*
Matan Addaru Sowieso – so nannte ihn Rhodan ab sofort da er es bereits mit der dritten Inkarnation dieses Richters zu tun hatte. Aus den Berichten Luas und Vogels hatte er erfahren, daß Matan Addaru an die vier Milliarden Jahre alt sein sollte. Wie alt war dann Thez? Wie sah es bei den Kosmokraten aus. War Taurec z.B. ein Jungspund im Vergleich mit dem Richter? Fragen über Fragen. Rhodan aß den letzten Bissen seines zweiten Sandwich und spülte mit Kakao nach.
Germo Jobst kam auf ihn zu, nachdem alle den Imbiss beendet hatten. Die Servierplatten entmaterialisierten lautlos. Jetzt saßen sie sich erneut gegenüber. „Ich spüre, daß sich Atlan unserer Position nähert aber ich kann keine exakte Richtung oder gar Koordinaten nennen.“ Der Blick des Mutanten wurde unstet. „Beruhige dich Germo.“ war Rhodans Antwort. „Selbst CICERO manövriert uns intuitiv-relativ durch diesen Zeitsumpf, wie sollte es dir da möglich sein, Koordinaten zu nennen? Du hilfst uns bereits enorm.“ Cairol VIII hatte der Syntronik der AMTERIA die exakte Strahlungssignatur von Atlans Zellaktivator mitgeteilt. Bis jetzt war das Scannen danach erfolglos geblieben. Sie taten dies seit drei Monaten. Komplett erfolglos. Ihre einzige Spur waren die empathischen Impulse Atlans die bei dem Mutanten aus der Falschen Welt ankamen. „Cicero, scanne die Umgebung so weit wie es deine Orter und Taster zulassen, Germo Jobst hat gespürt daß sich Atlan unserer Position nähert.“ Schlagartig änderte sich der Inhalt der Kuppeldarstellung, der Ring Andrabaschs schrumpfte auf die Größe eines Staubkorns zusammen und optische Animationen visualisieren die Taststrahlen die aus den Emittern in den Weltraum der Synchronie vordrangen.
3.
Die Beiboote bewegten sich langsam durch den Raum. Zwanzig an der Zahl innerhalb des wesenlos wallenden Kontinuums das die Jenzeitigen Lande mit dem Standarduniversum verband. Filigrane Schleier von tiefgrau bis zu hellem Rosa drifteten zwischen den 70 Meter großen Flugkörpern hindurch, die spitzen Brummkreiseln ähnelten. Rodan hatte diese bald nach dem Durchdringen des gewaltsam geöffneten Konduktors auf die Reise geschickt um die Randbereiche der zweiten Zeitdimension zu erforschen. Die schlimmste Befürchtung hatte sich nicht bewahrheitet. Die strukturellen Risse im Gewebe der Synchronie hatten sich nicht weiter als ein paar Lichtstunden vom gewaltsam aufgerissenen Durchgang am Platz des ehemaligen Konduktors in Larhaaton fortgepflanzt und dann in alle Richtungen ausgebreitet. Nach wenigen Tagen waren schließlich kopfgroße Körper in Schwärmen aufgetaucht die einem Hagel gleich auf die Carithüllen der kreiselförmigen Beiboote aufgeschlagen waren. Es bildete sich eine Lichtaureole um jedes betroffene Beiboot und in diesem Lichterglanz verbrannten die Körper zu Asche, doch es kamen ständig neue. Asgard Penwhicker, der epsalische Expeditions-Kommandant aller Boote mochte sich nicht gerne vorstellen was mit einem caritlosen Schiff hier passieren würde. „Sämtliche Risse haben sich endgültig geschlossen, auch jene direkt am Übergang zum Konduktor.“ Meldete ein weiblicher Leutnant die am Orterterminal saß. „Fein.“ ließ sich Penwhicker vernehmen, der nicht gerade als großer Kommunikator bekannt war. Etliche Wochen waren sie hier unterwegs gewesen. Rhodan wollte auf Nummer Sicher gehen und nicht auf Andrabasch eintreffen als der Zerstörer der Synchronie, sicher eines der Juwelen in der Krone von Thez, diesem selbst ernannten Kosmokraten-König. Diese Aufgabe war ermüdend langweilig gewesen nachdem die synchronalen Körper nach einem Tag ihre sinnlosen Angriffe beendet hatten und in der Tiefe dieses bizarren Raums verschwanden. „Sieht eigentlich aus wie der Linearraum aber Linearkonverter dürften hier bestimmt trotzdem nicht funktionieren.“ hatte ein Sanitätsoffizier zu Beginn ihrer Mission bemerkt. Die simulierten Trans-Chronalen-Treiber der Brummkreisel-Boote waren auf wenige Prozent heruntergefahren. Die Schiffe bewegten sich träge an der Wandung dieses seltsamen Raums entlang. Penwhicker gab nun das von allen erwartete Kommando. „Fahrt die Treiber auf volle Leistung und parallelen Betrieb hoch, wir fliegen zurück zur AMTERIA.“ Mit einem zufriedenen Seufzen ließ sich der ungewöhnlich schlanke Epsaler in seinen Sitz fallen. Bei 1,60 m Körperhöhe maß er an den Schultern nur 1,25 m und auch sein weißblondes Haar fiel jedem auf der ihn das erste Mal zu Gesicht bekam. Sein Vater war Arkonide, die Mutter von Epsal, er selbst nannte sich manchmal scherzhaft den einzigen Epsarkoniden in der Galaxis. Es würde ein ruhiger Flug zum Mutterschiff werden.
Doch das war voreilig gedacht, durchzuckte es den Expeditions-Leiter nur 30 Minuten später. Der diensthabende Funker meldete. „Wir bekommen gerade einen Notruf herein. Text lautet ‚Atopische Sonde mit Passagier benötigt dringend medizinische Unterstützung.‘ In der Sprache der Mächtigen und auf Schleife geschaltet.“ Er griff sich mit der rechten Hand an den Kopf und raufte sich die Haare. „Au Backe, und ich hatte mich schon auf einen problemlosen Rückflug eingestellt.“ brummte Penwhicker in seinen nicht vorhandenen Bart. „Die Quelle des Funkspruchs durch Quintagulation ausmachen. Je drei Boote schließen sich zusammen, schwärmen aus und hoffentlich haben wir dann bald die Koordinaten – und wachsam bleiben, hoffentlich ist das keine Falle.“
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Es war keine. Die Anpeilung über drei Raum- und zwei übergeordnete Dimensionen brachte die kleine Flotte schließlich zu der Atopischen Sonde die Ihnen entgegenflog. „Da ist ein Loch in der Außenhülle, etwa kopfgroß. Die hatten Spaß mit den Angriffskörpern.“ Die junge Leutnant an der Ortung war offenbar ein Spaßvogel. Penwhicker gab routiniert seine Anweisungen und sehr schnell machten sich zwei Sanitätsoffiziere auf den Weg durch den energetisch projizierten Andocktunnel nachdem Funkkontakt mit der Sonde etabliert war und ein Andocken von dort aus erlaubt worden war.
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Atlan sah die beiden untersetzten Männer in den SERUNS wie durch einen roten Schleier. Kurz vor dem Andockmanöver waren seine Schmerzen plötzlich wesentlich stärker geworden, allein das Atmen verursachte jetzt schon direkte Schmerzen. Und im nächsten Moment rutschte er bewußtlos vom Kontursessel.
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Die beiden Sanitäter schlossen den Arkoniden an ein mobiles Diagnose- und Therapiemodul an. Einen Medo-Roboter mit an Bord zu bringen hatte die Sonde ausdrücklich nicht erlaubt. Es dauerte fast 40 Minuten bis der Arkonide die Augen aufschlug. „Was habt ihr mir gegeben, die Schmerzen sind fast weg?“ „Sehr starke Opioide, einen Kreislaufstabilisator und jede Menge Mineralstoffe und Vitamine Atlan. Dein Metabolismus war komplett entgleist und ist dann kollabiert als wir eintrafen.“ Der ältere der beiden Sanis wischte sich den Schweiß von der Stirn. „Du solltest zu uns an Bord kommen, dort müssten wir den Fremdkörper chirurgisch entfernen können.“ Ergänzte der jüngere der beiden. „Sonde, erlaubst du mir dich endgültig zu verlassen?“ Es dauerte einige Sekunden bis eine Antwort kam. „Da du vermutlich sterben würdest macht es keinen Sinn dich hierzubehalten. Unsere Rückreise durch die Synchronie ist gescheitert. Seitdem die Freßzelle angegriffen hat bin ich zudem beschädigt. Du kannst gehen Atlan und ich begebe mich zur WEYD’SHAN. Dort kann ich repariert werden und dann den Fauthen Bericht erstatten. Ein Schiff der Kosmokraten befindet sich im Orbit von Andrabasch. Es wird dich sicher zurück ins Standarduniversum bringen, was ich nicht geschafft habe. Seit der Scherung des Universums ist einiges in Unordnung geraten, vermutlich sind wir Atopischen Sonden nicht mehr in der Lage unsere Aufgaben zu erfüllen. Die Richterschiffe werden diese übernehmen müssen. Im Namen der Fauthen entschuldige ich mich für die Unannehmlichkeiten Atlan und wünsche dir eine glückliche Heimreise. Es war mir eine Ehre den letzten Ritter der Tiefe zu transportieren.“ Und dann zeigte sich im Bugbereich der Kanzel ein holographisches Gesicht. Atlan verschlug es den Atem. Das Gesicht von Julian Tifflor, dem atopischen Richter der sein Amt in der Milchstraße nicht hatte antreten können. Er nickte dem Arkoniden zu. „Wir sehen uns alter Freund.“ Das Holo erlosch und mithilfe der beiden Sanitäter verließ Atlan die Sonde durch den Andocktunnel.
*
… Fortsetzung folgt …

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